Un-wahr-schein-liche Zukünfte: Revolutionäre Erzählungen im Zeitalter von TINA

Noch immer scheint der öffentliche Diskurs der Mehrheitsgesellschaft vom TINA-Syndrom behaftet zu sein. TINA steht hierbei für den Slogan “There is no alternative”, der in den 1980er Jahren durch die neoliberale britische Premierministerin Margaret Thatcher geprägt wurde. Dass die Herrschaft der freien Märkte und die nationalstaatlichen Ordnung gerade im Zeitalter einer nie zuvor gesehenen sozio-ökologischen Krise noch alternativlos erscheint, ist umso paradoxer. Doch vielleicht ist die Imaginationsarmut des öffentlichen Diskurses ja kein historischer Zufall, sondern integraler Bestandteil der herrschenden Ideologie? In diesem Falle wird das Erzählen alternativer Zukünfte selbst zum revolutionären Akt.

„Wir leben im Kapitalismus, seine Macht scheint unwiderstehlich, aber so war es auch mit den heiligen Rechten von Königen,” so bringt es die Autorin Ursula K. Le Guin auf den Punkt. Und fügt hinzu: “Jede Form von Macht, die Menschen über Menschen ausüben, kann durch Menschen verändert oder beseitigt werden. Widerstand und Veränderung beginnen oft in der Kunst – in der Literatur, unserer Form der Kunst.”

In unserem Workshop wollten wir deshalb gemeinsam die Potentiale und Grenzen von revolutionären Erzählungen erkunden. Welche Narrative braucht es, um den Status Quo infrage stellen, ohne ihn als utopische Beruhigungsmittel zugleich zu stabilisieren? Wir haben nach der Poesie der Revolution gesucht, die frei nach Marx nur aus der Zukunft, nicht aber aus der Vergangenheit zu schöpfen ist. Nach einer kurzen theoretischen Einführung (Mark Fisher, Amitav Ghosh, Francoise Verges, Donna Haraway, Jason Moore) haben wir die Teilnehmenden zu diesem Zwecke in Gruppen aufgeteilt. Angeleitet durch die Organisator*innen begab sich jede der Gruppen auf eine intellektuelle Reise in die Zukunft. Gemeinsam sollten die Teilnehmer*innen eine gemeinsame Erzählung entwerfen, welche persönliche Hingaben mit politischen Visionen verbindet.

Und die Referierenden:

Mihir Sharma ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Ethnologie und Mitglied der Arbeitsgruppe Anthropologie globaler Ungleichheiten an der Universität Bayreuth. Er schreibt Essays, Artikel, und Interviews, unter anderem zu sozialen Bewegungen, “Rasse” und Rassismus. An der Universität bietet er Seminare zu dekolonialen Ansätzen, Ethnografien des Kapitalismus, und Mobilisierungen antirassistischer Kämpfe an. Er lebt in Berlin, Bayreuth, und St. Louis, Missouri. 

Elias König studiert Philosophie an der Freien Universität Berlin und beschäftigt sich mit nicht-europäischen Ansätzen in der Klimaphilosophie. Gerade arbeitet er an einem vom DAAD geförderten Forschungsprojekt “Ecology Beyond The Canon – The Role of Non-Western Philosophies in Times of Climate Crisis” in Zusammenarbeit mit der Jawaharlal Nehru Universität in Neu-Delhi.

Der Workshop fand am Donnerstag, den 16.1.20 von 16:00 bis 18:30 Uhr im Kursraum 5 der Dänischen Zentralbibliothek (Norderstr. 59, 24939 Flensburg) statt.